Gesundheit
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Prä-, Pro-, Syn- oder Post-Biotika

Präbiotika, Probiotika, Synbiotika oder Postbiotika sind Begriffe, die mit verschiedenen Aspekten fermentierter Lebensmittel und deren Wirksamkeit zu tun haben.
Es ist gut möglich, bei all diesen Begriffen schnell den Überblick zu verlieren, wofür die einzelnen Begriffe stehen und manchmal scheint es eher eine wissenschaftliche Diskussion über Definitionen zu sein, als eine brauchbare Beschreibung. Letztendlich geht es aber auch darum, die erwartete gesundheitliche Wirkung eines Produkts oder Lebensmittels beurteilen zu können. Was ist also der Unterschied zwischen den verschiedenen -Biotika?

Probiotika enthalten lebende Bakterien. Die Wirksamkeit wird einer bestimmten Dosis, einer bestimmten Bakterienart und sogar einem bestimmten Bakterienstamm zugeschrieben. In einem probiotischen Produkt, häufig einem Getränk, sind lebende Bakterien enthalten, die durch den Magen in den Darm gelangen und dort aktiv sind. Bekannte Bakterien mit einem guten Ruf sind Bifidobakterien sowie verschiedene Stämme von Lactobacillus, z.B. Lactobacillus paracasei CBA L74. Doch nicht jedes lebende Bakterium, das Sie aufnehmen, ist ein Probiotikum.

Präbiotika sind Lebensmittelbestandteile, oft bestimmte Zucker, die über die Nahrung aufgenommen werden. Sie unterstützen die bereits im Darm vorhandenen Bakterien im Wachstum und zwar vor allem solche Bakterienstämme, die eine positive gesundheitliche Wirkung auf den Wirt haben. Oligosaccharide, eine Zuckerart, die auch als humane Oligosaccharide (HMO) bekannt sind, bestehen häufig aus nicht mehr als drei Kohlenstoffatomen. Das Kleinkind nimmt über die Muttermilch große Mengen an HMOs auf und es kann sich daraus die Darmflora entwickeln. Die Zusammensetzung der Darmflora hängt stark von der Muttermilchmenge, der Stilldauer, der Geburtsmethode (Vaginal, Kaiserschnitt), Antibiotika, und vielen weiteren Faktoren ab.

Synbiotika sind Produkte, die sowohl präbiotisch als auch probiotisch wirken. Muttermilch ist tatsächlich als Synbiotikum zu bezeichnen. Sie enthält sowohl eine Reihe von Präbiotika als auch allerhand Arten von probiotischen Bakterien für das Baby. Babys bekommen diese Bakterien von Ihrer Mutter zusätzlich durch die vaginale Geburt und über die Bakterien an den Brustwarzen.

Postbiotika sind die Stoffwechselprodukte der Bakterien. Zum Beispiel vermehrt die Firma Heinz L. paracasei CBA L74 aus Magermilch (15 Stunden bei 37 °C), so dass schließlich ungefähr 5,9 x 109 Bakterien pro Gramm Produkt nachgewiesen werden können. Dieses Produkt wird dann pasteurisiert und zu einem Pulver gefriergetrocknet. Das Pulver enthält keine lebenden Bakterien mehr, sondern nur die abgetöteten Bakterienzellen und ihre Stoffwechselprodukte, was folglich als Postbiotikum gekennzeichnet wird.

Wenn ein Produkt fermentiert wird (der Weißkohl wird zu Sauerkraut; der schwarze Tee wird zu Kombucha, die Rohmilch wird zu Rohmilchkefir), was ist dann in diesem Produkt funktionell? Sind es die lebenden Bakterien, oder reicht es aus, nur ihre sterblichen Überreste und ihre Stoffwechselprodukte aufzunehmen?
Das Interesse an den Postbiotika erfolgt unter anderem aus der gleichen Argumentation heraus, wie bei der Frage, ob Rohmilch konsumiert werden soll oder nicht. Rohmilch ist potenziell gefährlich und so auch die lebenden Bakterien in einem probiotischen Produkt. Dabei gibt es immer drei Risikogruppen: Kleinkinder, ältere Menschen mit geschwächtem Immunsystem und schwangere Frauen. Um das Risiko zu vermeiden wird lieber ein Postbiotikum als ein Probiotikum gegeben.

Studie: Postbiotika bei kleinen Kindern

Seit 2017 wurden verschiedene Studien veröffentlicht, die die Auswirkungen eines postbiotischen Produktes untersuchen. Es handelt sich um ein abgetötetes Fermentationsprodukt, dem ein probiotischer Fermentationsprozess zugrunde liegt. Eine italienische Forschergruppe untersuchte die Auswirkungen von L. paracasei CBA L74 auf Kinder, die eine Kindertagesstätte besuchen mit der Fragestellung, ob Infektions-krankheiten durch eine tägliche Dosis CBA L74 reduziert werden können (Nocerino et al., 2017). In der Studie wurde sowohl die Wirkung von CBA L74 untersucht, welches aus Magermilch hergestellt, als auch solches, das bei der Reisfermentation gewonnen wird (Tabelle 1). Die Studie besitzt einen hohen Stellenwert in Bezug auf ihre wissenschaftliche Umsetzung, da es sich um eine Blindstudie handelt (d.h. niemand weiß, in welcher Gruppe er / sie sich befindet, nicht einmal die Wissenschaftler) und sie prospektiv ist (die Kinder werden über einen Zeitraum von 3 Monaten beobachtet und die tatsächlichen Krankheitsfälle analysiert).

Tabelle 1. Ergebnisse der postbiotischen Behandlungsstudie bei drei Gruppen von Kindern

Milch CBA L74Reiss CBA L74Kontrolle (keine)
Anzahl Kinder137118122
Alter in Monate323134
Mindestens eine Infektion52%66%80%
Obere Atemweginfektion48%59%71%
Ohrenentzündung2%4%15%
Akuter Durchfall13%29%31%
Risiko wiederhohlter Infektionen10%22%37%
Risiko einer medizinischen Behandlung (OR)0,260,551,00

Die Kinder sind etwas mehr als 2½ Jahre und in beiden Gruppen, die CBA L74 erhalten, ist ein starker Rückgang der Anzahl von Infektionen, Atemproblemen, Ohrenentzündungen und auch Durchfall zu verzeichnen. In der Milch-CBA-Gruppe sind die Auswirkungen häufig ausgeprägter, aber auch in der Reis-CBA-Gruppe sind Krankheiten deutlich reduziert. Die Forscher ordnen die Unterschiede zwischen Milch- und Reisfermentation als nicht signifikant ein.
Die medizinischen Behandlungen der Kinder wurden stark reduziert, was eine große Bedeutung hat. Als Odds Ratio (OR) ausgedrückt und im Vergleich zur Kontrollgruppe (= 1,00) wurde insbesondere die medizinischen Behandlungen in der Milch-CBA L74 Gruppe um 75% reduziert. In diesen Studien wurden nur die die bakteriellen Stoffwechselprodukte eingenommen, nicht die Bakterien selbst. Zu diesen Stoffwechselprodukten gehören kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat, Propionat und Acetat, aber auch Produkte, die das Immunsystem regulieren. Die Darmflora der Kinder wird durch die Aufnahme solcher Stoffwechselprodukte beeinflusst. Nocerino et al. (2017) fanden heraus, dass in beiden CBA L74-Gruppen ein signifikanter Anstieg der Immunpeptide zu verzeichnen ist. Solche Peptide sind für die Unterdrückung des unerwünschten Bakterienwachstums verantwortlich, welches bei Infektionen oder Durchfall auftreten kann. Das Vorhandensein lebender Bakterien ist also nicht unbedingt erforderlich, um einen solchen Effekt zu erzielen.

Studie: Postbiotika bei Mäusen

Eine zweite Studie, diesmal an Mäusen, untersuchte, inwieweit ein anderes postbiotisches Produkt Einfluss auf Angst und Verhalten der Mäuse hatte (Warda et al., 2019). In der Studie handelt es sich um ADR-159, basierend auf Lactobacillus fermentum und Lactobacillus delbruecki. Auch hier wurde das Endprodukt pasteurisiert und keine lebenden Bakterien aufgenommen. Nach 3 Wochen Diät, unabhängig davon, ob sie das Postbiotikum erhielten oder nicht, wurden die Tiere allen Arten von Stresstests unterzogen. Die Tiere wurden dann nach 6 Wochen getötet und ihr Blut und ihre Organe weiter untersucht. Jede Woche wurde Kot gesammelt, um zu sehen, wie sich die Darmflora in beiden Gruppen entwickelte.

ADR-159-Mäuse hatten nach 6 Wochen einen niedrigeren Corticosteronspiegel. Diese hormonähnliche Substanz beeinflusst unter anderem das Energieniveau, die Immunantworten und reguliert das Stressniveau. Die Forscher interpretieren die Ergebnisse der verschiedenen Parameter so, dass ADR-159 eine beruhigende Wirkung auf die Mäuse hat. Es ist interessant, dass die Verhaltensänderung mit einer Verschiebung der Darmflora einhergeht, ein Hinweis für die Gehirn-Darm-Verbindung. Aus der Literatur ist außerdem bekannt, dass verschiedene Gruppen von Darmbakterien, die sich von den in dieser Studie untersuchten Bakterien signifikant unterschieden, mit den positiven Ergebnissen dieser Studie in Verbindung gebracht werden können, sowie niedrigerer Corticosteron-spiegel, erhöhte soziale Interaktionen, und weniger Stress.

Weitere Forschungen müssen bestimmen, wie der Wert und der Mehrwert lebender Bakterien mit den abgetöteten Bakterien und ihren Stoffwechselprodukten verglichen werden können, und es muss auch klar werden, welche Unterschiede im Ausgangsmaterial bestehen. Fast alle Forschungsarbeiten erfolgen auf der Basis von sterilisierter Magermilch ohne Milchfett. Zukünftige Forschungen werden zeigen, ob und welche Bedeutung rohe Vollmilch als Ausgangspunkt hat.

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