Milch, Qualität, Rohmilch und Sicherheit
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Milchbauern mit bester Hygiene

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Die Nachfrage nach Rohmilch steigt, und Rohmilch wird in mehreren Ländern für den direkten Verzehr angeboten. Milchbauern, die in der Rohmilchproduktion geschult und informiert sind, können in der Regel Rohmilch mit sehr geringen Zoonoserisiken liefern.

Professionelle Rohmilchproduzenten

Die Nachfrage nach Rohmilch steigt, dennoch darf in vielen Ländern keine Rohmilch verkauft werden. In Amerika wird der Verkauf von Rohmilch innerhalb der 50 Bundesstaaten sehr unterschiedlich durchgesetzt, von liberal bis hin zu einem kompletten Verbot. In England wurde der Verkauf von Rohmilch 2019 liberalisiert, während in den Niederlanden und Skandinavien noch ein Verbot gilt. Der Verkauf von Rohmilchprodukten wie Rohmilchkäse und rohfermentierten Sauermilchprodukten ist in den Niederlanden eine Ausnahme. Deutschland kennt die Vorzugsmilch, eine frische, unbehandelte Milch die als Rohmilch im Laden angeboten wird.

Rohmilchproduzenten müssen sehr professionell sein, wenn es um die Aufrechterhaltung der Lebensmittelsicherheit und Milchhygiene geht. Das Wissen über eine sichere Produktion nimmt zu und wird zwischen den Produzenten geteilt. Kürzlich beschrieb die Zeitschrift Epidemiology and Infection (Berge und Baars, 2019) die Hygiene-Ergebnisse von sehr präziser hergestellter Rohmilch, die als Trinkmilch angeboten wird. Drei Länder (Deutschland, USA und Kanada) wurden verglichen. Es stellte sich heraus, dass Rohmilch mit der gleichen Lebensmittelsicherheit hergestellt werden kann wie viele andere nicht erhitzte Lebensmittel. Die Autoren wollen mit dem Dogma brechen, dass Rohmilch „immer und grundsätzlich gefährlich“ ist und Milch nur nach dem Abkochen oder Pasteurisieren sicher getrunken werden kann. Bereits in den 1950er Jahren wurde die Sicherheitsstrategie für den Milchkonsum diskutiert, damals im Zusammenhang mit der Eindämmung von Tuberkulose. Die Befürworterin von Rohmilch war Lady Eve Balfour (Mitbegründerin der Soil Association in Großbritannien). Sie glaubte, dass „die Pasteurisierung ein Eingeständnis des Versagens darstellt. Ziel muss es sein, die auferlegte Pasteurisierungspflicht rückgängig zu machen, sobald die Notwendigkeit, nämlich ungesunde Kühe und unhygienische Arbeit, hinter uns gelassen wird.“

Aufgrund der Bemühungen von Produzenten in verschiedenen Teilen der Welt (Trial and Error, Learning By Doing, Beratung von Tierärzten) gibt es verschiedene vorbildliche Beispiele, in denen Milchviehhalter Rohmilch auf sichere Weise zum direkten Verzehr anbieten. Sie zeigen, dass sie unabhängig von Betriebsgröße oder Produktionssystem Rohmilch mit niedrigen bakteriologischen Werten produzieren können, die mit pasteurisierter Milch vergleichbar sind. Durch ständiges Augenmerk auf strikte Hygiene beim Melken, gute Wartung der Melkausrüstung, Kuhkontrolle, schnelle Kühlung und eine lückenlose Kühlkette wird der Pasteurisierungsbedarf reduziert und das Risiko übertragbarer Krankheiten vernachlässigt. Diese Rohmilch ist mindestens 7 Tage haltbar, oft auch länger. Das Interesse an Rohmilch und roh fermentierten Milchprodukten im Rahmen einer „natürlicheren Ernährung“ wächst. Verbraucher suchen solche Produkte wegen Gesundheit, Geschmack, Frische, Rohheit, Nähe zum Produzenten und zur Unterstützung der lokalen Landwirtschaft. Rohmilch ist für viele Verbraucher wichtig, da die Pasteurisierung der Milch ihre Zusammensetzung verändert und das Erhitzen der Milch mit einer Zunahme von Allergien, Heuschnupfen und Asthma in Verbindung gebracht wird. Um einen wirklich guten Kompromiss zwischen „Gefahren und Risiken“ einerseits und „Gesundheitsnutzen“ andererseits eingehen zu können, bedarf es dringend einer guten Nutzen-Risiko-Analyse des Rohmilchkonsums auf Basis der Anstrengung der Milchbauern, Milch zu produzieren, die roh verzehrt werden kann.

Pioniere der sicheren Rohmilch

Der Artikel beschreibt drei Beispiele der „gesicherten Rohmilchproduktion“. Anhand der Zahlen der Deutschen Vorzugsmilch zeigt sich zum einen, wie gering die Risiken sind und zum anderen scheint es, dass auch Keime in erhitzter Milch gefunden werden (Tabelle 1). Die deutsche Aufsichtsbehörde BfR weist darauf hin, dass Vorzugsmilch zwar sehr sicher ist, aber kein Nullrisiko besteht. Aber darum geht es nicht in der Lebensmittelsicherheit. Ein amerikanischer Tierarzt und Rohmilchkonsument formuliert es krass, wann er behauptet, dass “das Risiko des Rohmilchkonsums viel geringer ist als das Risiko, jede Woche mit seinem Auto Rohmilch vom Hof abholen zu müssen”. Zahlen des BfR und die Zahl der Todesfälle durch den Verzehr erhitzter, pasteurisierter Milch (Whitehead und Lake, 2018) zeigen, dass auch nach dem Erhitzen ein Restrisiko verbleibt. Übrigens zeigt sich in fast allen Fällen, dass nach einem positiven Ergebnis in der Vorzugsmilch bei einer Wiederholung der Probenahme keine zoonotischen Bakterien mehr gefunden werden. Es kann sich deswegen auch um ein falsch-positives Ergebnis handeln.

Vorzugsmilch

TTabelle 1. Anteil der Proben, in denen pathogene Bakterien in vier verschiedenen Milchtypen gefunden wurden. Die Milch wurde nach dem geplanten Zeitplan der deutschen BfR (Bundesanstalt für Risikobewertung) in den Jahren 2003-2015, beprobt.

 Milch past. VZM On-Farm Tankmilch
Zoonotische Bakterie:    
Salmonella 0.01% 0.00% 0.00% 0.02%
Campylobacter 0.00% 0.34% 0.81% 0.92%
 VTEC 1.67% 0.84% 1.73% 3.39%
Listeria 0.06% 1.17% 2.06% 2.15%
Yiersina Keine Data 0.88% 4.67% 7.81%
MRSA Keine Data 2.11% 4.60% 7.42%
Brucella Keine Data 0.00% Keine Data 0.00%
Mycobacteria Keine Data 0.00% Keine Data Keine Data

Milch past. = pasteurisierte Milch; VZM = Vorzugsmilch; On-farm = Rohmilchprobe auf dem Bauernhof; Tankmilch = Rohmilch, die an anderer Stelle entnommen wurde.

In allen Rohmilch-Proben aus den drei Forschungsgebieten (Kanada, USA und Deutschland) werden sowohl die Keimzahl in der Milch als auch die coliformen Bakterien als Maß für eine gute Hygiene auf den Farmen verwendet. Die Zahlen für diese Parameter sind niedrig bis sehr niedrig.

Foto: Melken auf dem Bauernhof der Familie Ed Schank The Family Cow (Foto: Catharina Berge)

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