Milch, Qualität, Rohmilch und Sicherheit
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Wie heiß wird Ihre Milch?

Oftmals hat die Industrie kein großes Interesse daran wirklich gute Produkt- und Produktionsinformationen zu verteilen. Unablässig verändern sich die Prozesse der Produktion und am liebsten möchte die Industrie, dass Sie denken, dass alles beim Alten bleibt. Das hat alles mit dem Image zu tun. In Deutschland wurden vor ein paar Jahren ESL-Milch eingeführt, Milch mit extended shelflife, also länger haltbar. Man versuchte jedoch alles dafür zu tun, dass diese Milch die gleiche ist wie pasteurisierte Milch. Die Verlierer dieser Geschichte haben auch ihre Etiketten verändert und nennen ihre Milch jetzt „traditionell pasteurisiert“. Aber ja, was ist noch Tradition in einer sich so schnell verändernden Welt? Der Pasteurisierungsprozess hat sich im Laufe der Jahre schrittweise verändert, wobei jedes Mal die Pasteurisierungstemperatur erhöht worden ist. Man unterscheidet mittlerweile in: Thermisieren, Standardpasteurisierung, Hochpasteurisierung, Sterilisation und Ultrahocherhitzte Milch.

Die Milch wird oftmals schon bei der Ankunft in der Milchfabrik thermisiert, um die so genannten kälteliebenden Bakterien (Psychotrophen), die sich im Kühltank (bei 4°C) weiterentwickelt haben, ab zu töten und um das Enzym Lipase zu inaktivieren, damit die Milch nicht ranzig werden kann. Es gibt schon seit einigen Jahren in die Niederlanden Diskussionen darüber in der Bauernkäsegemeinschaft (handwerkliche Milchverarbeitung), ob der Rohmilch „Bauernkäse“ seinen Namen überhaupt noch rechtmäßig trägt, wenn er aus thermisierter Milch hergestellt worden ist. Thermisierung ist eine sehr kurze (wenige Sekunden) Erhitzung der Milch auf 50 bis 65 °C. Die herkömmliche Erhitzung, die als Ziel hatte möglichst alle Bakterien in der Konsummilch ab zu töten, heißt batch- oder stand-Pasteurisierung oder wird auch Holder-Pasteurisierung genannt. Bei dieser Methode wird die Milch in einem geschlossenen Behälter auf 62-63°C erwärmt und 30 Min auf dieser Temperatur gehalten (Low Temperatur Long Time =LTLT). Ein Nachteil der Holder Pasteurisierung ist es, dass es lange dauert bis die Milch erwärmt ist und auch wieder abkühlt. Dadurch kann der Temperatureinfluss länger sein als die erwünschten 30 Minuten. Die Geschwindigkeit des Wärmeaustausches ist abhängig von der Milchmenge, der Kühlungskapazität und der Austauschoberfläche. Eine technologisch einfache und schnelle Art und Weise ist es mit Hilfe des Plattenpasteurs zu erhitzen. Dieser Pasteur funktioniert nach dem Gegenstromprinzip (kalte Milch – heißes Wasser), die Milch wird dabei schnell aufgewärmt, bleibt kurz auf dieser Temperatur und wird danach wieder zurück gekühlt (heiße Milch – kaltes Wasser): auf 72°C, 10-15 Sekunden oder auf 80°C wenige Sekunden (High Temperature Short Time = HTST). Die Pasteurisierungstemperatur, die man verwendet ist abhängig davon welches Milchprodukt hergestellt werden soll. Seit einigen Jahren wird traditionell pasteurisierte Milch ersetzt durch Milch mit verlängerter Haltbarkeit (ESL-Milch), Milch, die ohne Probleme 3 Wochen lang gut bleibt, was eigentlich etwas seltsam ist für ein frisches Lebensmittel. Um das möglich zu machen wurden neue Prozesse entwickelt, so wie die Ultrafiltration, wodurch fast keine Bakterien mehr in der Milch zu finden sind, ohne dass diese komplett abgetötet werden so wie bei sterilisierter oder UHT-Milch.

In den 60er Jahren konnte in den Niederlanden „doppelt gedämpfte Milch“ gekauft werden, der Vorläufer der UHT-Milch. Dies war Milch die in der Flasche sterilisiert worden ist, so wie auch Apfelsaft bei 100-110°C 10-20 min lang sterilisiert wird. Diese Milch war dann länger haltbar und hatte deutlich den süßlichen Geschmack von gekochter Milch. In Südeuropa kennt man„frische Milch“ so gut wie gar nicht. In den Läden steht Milch einfach draußen und nicht in der Kühlung, es handelt sich dabei dann um UHT-Milch, das ist Milch, die „kurz“ auf 130-145°C erhitzt wird. Bei dieser Temperatur fällt die Milch auseinander und durch schnelles Abkühlen fügt sie sich wieder zusammen, danach wird sie verpackt: völlig steril, weil selbst alle Bakteriensporen inaktiviert worden sind. Ein weiterer Vorteil davon ist, dass diese Milch nicht den Geschmack von gekochter Milch hat.

Benennung Abkürzung Temperatur Zeitspanne
Thermisierung 50-60°C < 1 Min
Holder Pasteurisierung (Stand-Pasteurisierung) LTLT 62-63°C 30 Min
Pasteurisierung HTST 72°C 15-20 Sek
Pasteurisierung HTST 80°C wenige Sek
Pasteurisierung mit verlängerter Haltbarkeit ESL 72°C 15-20 Sek
Sterilisation 100-120°C 20-30 Min
Ultrahocherhitzt UHT 130-145°C wenige Sek

Je niedriger die Temperatur und je kürzer die Zeitspanne der Erwärmung, umso geringer verändert sich die Struktur des Milcheiweißes. Milch enthält verschiedene hitzeempfindliche Eiweiße, vor allem Molke-Eiweiß, Peptiden und Enzyme. Eiweiße funktionieren bei Körpertemperatur und werden bei höheren Temperaturen denaturiert.

Pasteurisierungsveränderungen haben durchaus Folgen, die sofort geschmeckt werden können. Das merkte auch die Industrie als im letzten Jahrhundert die Standardpasteurisierung durch den Durchlaufpasteur ersetzt wurde, einige Wochen lang wurde weniger Milch getrunken, danach war wieder alles beim Alten. Man gewöhnt sich offenbar an alles.

Foto: Trocknendes Milchgeschir in der Sonne. Alp Zillis, Graubünden (CH)

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