Milch, Qualität, Weidehaltung und Fettsäure
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Image Weidemilch

Was hat es auf sich mit Weidemilch? Es gibt zwei Gesichtspunkte: das Image des Sektors und die Gesundheitsaspekte für die Kuh (draußen sein, frisches Gras fressen) und den  Menschen aufgrund der Milchfettzusammensetzung. Es gibt Fälle, wo Image und Gesundheit wirklich eins sind, aber oft ist das nicht der Fall.

Die Bezeichnung ‚Weidemilch‘ darf verwendet werden, wenn die Kühe mindestens 120 Tage lang mindestens 6 Stunden am Tag weiden dürfen. Das Hauptmotiv dieser Regeln ist das Image der Tierhaltung. Die traditionelle Weidesaison ist regional unterschiedlich, liegt aber zwischen dem 1. April und dem 15. Oktober und dauert mehr als 200 Tage. Es gibt Länder, in denen die Kühe viel länger auf die Weide gehen, und deswegen auch mehr Gras aufnehmen: Irland, Wales und insbesondere Neuseeland. Dies ist auf das günstige Klima für eine lange Grassaison zurückzuführen: relativ hohe Wintertemperaturen und die über das Jahr verteilte große Niederschlagsmenge. Länder wie Neuseeland produzieren Milch anders als Amerika oder Europa. Der größte Teil der Welt ist fixiert auf den höchsten Ertrag pro Kuh. Das hat dazu geführt, dass wir in der Tierzucht Kühe wie Elefanten gezüchtet haben. Kühe, die zwar eine sehr hohe Leistung bringen, aber völlig abhängig sind von Futter mit einer hohen Energiedichte, wie Silo-Mais und Kraftfutter. Anders als in Neuseeland, wo die kleinen Kühe nur mit Gras gefüttert werden. In Neuseeland kalben alle Kühe im Frühjahr draußen auf der Weide, danach gibt es nur noch Gras und Weiden bis sie am Ende der fast 10 Monate dauernden Saison wieder trocken gestellt werden. Gras ist das billigste Raufutter, und Grünland gibt es ausreichend bei der hohen Niederschlagsmenge. Neuseeländische Kühe laufen oft 1½ Stunden, um von der Weide zum Stall zu gelangen. Und wieder zurück, morgens und abends. Kraftfutter ist zu teuer. Winterfutter, wie wir es in Europa als Heu, Mais oder Silage kennen, sowie Stallungen für die Kühe sind kaum bekannt.

Weidegenetik und Weidemilch?

Weidemilch gibt es daher in Neuseeland, aber mit der deutschen Weidemilch ist es etwas anders. Europäische Kühe, wie die Holstein- oder Brownswiss-Kuh haben einen anderen genetischen Hintergrund: hoch, schmal und mager. Es sind Kühe, die nicht mehr nur mit Gras satt gefüttert werden können. Die Europäische Milchkuh, die genetisch von der amerikanischen Milchkuh abstammt, würde bei reiner Grasration stark abnehmen, zu viel Milch produzieren und daher wahrscheinlich schlecht fruchtbar sein. Es gibt Weidekühe und Kraftfutterkühe. Weidekühe sind muskulöser, kleiner und runder und können Milch aus unterschiedlicher Grasqualität produzieren. Kraftfutterkühe benötigen ihre tägliche Energiemenge aus konzentriertem Futter und Silo-Mais, dem Hauptenergiefutter für hochbeinige Hochleistungskühe.

Weidemilch ist Milch mit einem bestimmten Gesundheitswert. Dieser beruht auf der Aufnahme und Verdauung von frischem Gras, und dem Verzicht auf Mais und Kraftfutter. Das Pflanzenfett im grünen, schnell wachsenden Gras wird in ein sehr günstiges Milchfettsäuremuster umgewandelt, das aus Alpha-Linolensäure (n-3), CLAs und ihren Vorboten, Iso-Fettsäuren und auch Phytinsäure besteht. Milchfett aus schnell wachsendem Gras ist gelb, nicht wegen des gelben Löwenzahns oder gelber Butterblumen, von den sich die Kühe ernähren, sondern wegen des hohen Gehalts an Beta-Carotin. Winterbutter ist blass und hart, Winterkäse ist auch blass und der Käse ist steif und oft bröckelig. Starke Merkmale für eine hohe Grasaufnahme durch die Kuh sind CLAc9t11 (Rumic Acid) und der Vorbote C18:1t11 (Trans-Vaccensäure), sowie auch ein sehr gutes Verhältnis der n6/n3 Fettsäure im Milchfett. Wenn die Kühe Winterfutter aus Mais, Kraftfutter, Silagegras oder Heu (zusätzliche Energie) anstelle von fast 100% Gras erhalten, fallen diese Werte drastisch ab. Als Landwirt muss man jedoch die richtige Kuh auswählen, damit eine solche Kuh ohne energiereiche Nebenprodukte überleben kann. Eine solche Kuh gibt immer weniger Milch als eine hochbeinige Holstein-Kuh (Abb. 1).

Abbildung 1: Links: kleiner, runderer Kuh-Typ und rechts: hochbeiniger, magerer Kuh-Typ

Dann bleibt abzuwarten, ob es einen Unterschied macht, ob eine Kuh tatsächlich draußen weidet oder ob sie im Stall ist und ihr in der Futterkrippe Gras angeboten wird. Echtes Weiden bedeutet, dass eine Kuh draußen in der Sonne herumläuft und über ihre gesamte Haut Vitamin D3 produzieren kann, das wir im Milchfett finden. Vitamin D3 ist eines der fettlöslichen Vitamine, die für unsere Gesundheit wichtig sind.

In Neuseeland und Irland stimmen das Imagekonzept und das Gesundheitskonzept überein. Hier fällt das Konzept der Weidemilch mit einem gesundheitsfördernden Fettsäuremuster zusammen. Auch extensiv geführte Biomilchviehbetriebe können in den Sommermonaten ein sehr gutes Fettsäuremuster produzieren, wenn man Kühe ausgesucht hat, die mit dem wechselnden Grasangebot umgehen können. Die heute am häufigsten verwendete Weidemilch stammt jedoch von Kühen, die a) zu kurz im Freien sind, um genügend Gras aufzunehmen, manchmal eher laufen als weiden, und b) zu viel Milch produzieren, so dass der Landwirt gezwungen ist, besonders energiereiches Futter bereitzustellen.

Abbildung 2. Verlauf des CLAc9t11-Gehalts in Kuhmilch. Weidezeit (Sommer) und Stallzeit (Winter). Im Sommer wird fast ausschließlich Gras aufgenommen.

Die Grafik (Abb. 2) zeigt den typischen Verlauf der Weide-CLA (CLAc9t11). Proben wurden am 1. eines jeden Monats entnommen. Sobald die Kühe nach dem 1. April nach draußen gehen, steigt der CLA-Gehalt langsam an. Die Milch wird zu ‚Weidemilch‘. Am Ende des Sommers gibt es einen CLA-Gipfel, wenn nach der Sommerdürre wieder neues Gras wächst. Ab Oktober werden die Kühe bereits mit Heu gefüttert und nachts wieder aufgestallt. Die am 1. November entnommene Probe ist schon ein typisches Bild von ‚Heumilch‘. Die CLA-Werte bleiben niedrig und unverändert, bis die Kühe im folgenden Jahr wieder auf die Weide gehen.

Wie erntet man die ‚Sonnenqualität‘ der Sommerweide und stellt man diese Fettqualität im dunklen Winter zur Verfügung? Die Landwirte stellten traditionell Käse und Butter aus den Sommerüberschüssen her. Insbesondere Sommerkäse (goldgelbe Farbe und weiche Konsistenz) kann monatelang gelagert werden. Der traditionelle Gouda-Käse (als gereifter Lagerkäse) wird speziell im September hergestellt, dem Monat, in dem Kühe den höchsten CLA-Gehalt in ihrer Milch und ein gutes Fett / Protein-Verhältnis für den Käse aufweisen. Sie können heutzutage auch Butter aus dem Sommer einfrieren und den ganzen Winter über genießen. Diese Butter ist auch deutlich gelber und weicher als die weiße, harte Winterbutter. Fettsäuren sind im Milchfett fixiert und gehen bei der Konservierung nicht verloren, auch wenn man pasteurisierte Milchprodukte isst. In dieser Art und Weise kann das Image der Weidemilch mit den gesundheitlichen Aspekten von Weidemilch kombiniert werden. Vorausgesetzt, die Kühe fressen (ausschließlich) ‚grün‘ und wurden nicht mit anderen, konservierten Produkten zu einer höheren Milchproduktion gefüttert.

Foto: Bemuskelte Kühe der Rasse Deutsches Schwarzbuntes Niederungsrind (DSN) grasen im Sommer auf der Weide. DSN-Kühe sind mit den niederländischen Fries-Holland-Kühen (FH) verwandt und nicht mit schwarzbunten Holstein-Kühen zu verwechseln.

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